Die stattliche Gans hatte gerade ausgiebig mit dem Schnabel ihr weißes Federkleid geputzt und zurechtgezupft, damit es in der frühen Morgensonne dieses lauen Frühlingstages auch recht zur Geltung käme. Nun reckte sie sich stolz in die Höhe und schlug ein paarmal schwungvoll mit ihren Flügeln, schüttelte kräftig die Schwanzfedern, legte vornehm ihr Gefieder zusammen und begab sich zum Teich.
Der übermütige Frühlingswind hatte eine kleine Daunenfeder entdeckt, die die Gans bei der Morgentoilette mit ausgezupft und achtlos zu Boden fallen lassen hatte. Behutsam nahm er den zarten Flaum auf seine luftigen Arme und trug ihn ein Stück weit über die im Sonnenschein liegende Wiese. Auf dem Forsythienstrauch setzte er sie neben einer golden strahlenden Blüte ab und erfreute sich noch eine Weile an ihren anmutigen Bewegungen.
Dann zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit in den Bann. .Eine hauchfeine, in allen Regenbogenfarben schimmernde Kugel schwebte in der Luft und sank dann sanft zu Boden. Schnell fuhr der Wind mit einem Atemhauch unter dieses sacht zitternde Gebilde, um es vor dem Aufprall zu bewahren, als sich schon eine neue Kugel näherte. Lustig ließ er auch sie durch die Luft tanzen, sehr zur Freude des kleinen Mädchens, das vor Vergnügen in die Hände klatschte und vorsichtig mit ihrem Strohhalm eine neue Seifenblase in die Obhut des Windes entließ. 
Dieser dachte, dass die kleine Daunenfeder ein rechter Spielgefährte für die Seifenblasen sei und ließ sie sogleich durch die Luft schweben, geradewegs vor die Öffnung des Strohhalmes. Und so kam es, dass die nächste Seifenblase das zarte Federchen umschloss und mit ihm durch die Luft tanzte. Das kleine Mädchen lief entzückt hintendrein. Es ist schwer zu sagen, wer die größere Freude empfand – der Wind, das Mädchen oder die Federkugel.
Durch das fröhliche Lachen des Mädchens wurde de Mutter neugierig und schaute von ihrer Arbeit auf. Sie besah staunend das seltsame Schauspiel auf der Wiese, vergaß ganz ihre Arbeit, und ihr eben noch sorgenvolles Gesicht wurde von einem feinen Lächeln überzogen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, selbst zu schweben. Als sie zurück ins Haus ging und sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, blieben sowohl das leichte Gefühl im Herzen als auch das Lächeln auf ihrem Gesicht.
Die kleine Federkugel schwebte davon, vom übermütigen Wind immer höher in die Luft getragen. Als der muntere Wind einen alten Mann traurig an einen Baum gelehnt sitzen sah, ließ er die Seifenblase mit der Daune darin langsam herabgleiten und setzte sie auf einem Zweig nahe bei dem Alten ab. Doch der bemerkte sie zunächst nicht. Erst, als die kleine Feder sanft an die Innenseite der Kugel klopfte, glitt ein lächeln über das alte Gesicht. Diese zarten, melodischen Töne hatten sein Herz berührt. Langsam fuhr seine Hand in die Manteltasche und brachte eine kleine Flöte zum Vorschein. Wie lange hatte er ihr keine Töne mehr entlockt -?! - Aber nun sprudelte eine eine fröhliche Melodie in den Frühlingsmorgen, dass sogar die Vögel lauschten.
Sanft trug der Wind seine Zauberkugel weiter fort. In einem Zimmer saß ein Junge unglücklich am Tisch über seinen Hausaufgaben. Eine Geschichte sollte er schreiben, aber ihm wollte nichts einfallen. Da entdeckte er vor seinem Fenster auf dem Weidenkätzchenzweig eine kleine Feder, eingehüllt in strahlende Regenbogenfarben. Fasziniert betrachtete er das Schauspiel aus Farbe und Licht und hatte das Gefühl zu schweben. In seinem Kopf verbreitete sich eine Leichtigkeit, und plötzlich wusste er, was er schreiben wollte.
Der Frühlingswind trug seine kleine Federkugel immer weiter. Selbst bei Nacht gönnte er sich keine Ruhepause, denn da gab es Menschen, die nicht schlafen konnten, weil sie sich nach der Nähe eines anderen sehnten, denen aber beim Anblick der strahlenden Federkugel ganz warm um's Herz wurde.
So hatte der laue Frühlingswind eine anstrengende Arbeit zu verrichten: Er trug die Kugel in Städte und Dörfer, in Parks und Wälder, über Seen und Berge. Und überall, wo die kleine Kugel gesehen und die zarten Töne der Feder gehört wurden, gab es leichte Herzen und lächelnde Gesichter.
Und der Wind? - Er war sehr glücklich, denn eine so schöne Aufgabe hatte er noch nie erfüllen dürfen. Deshalb schickte er ein dankbares Lied in den Frühlingshimmel.

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