Ein Junge war noch unterwegs, als es schon dunkel wurde. In dieser fremden Umgebung begann er, sich zu fürchten. Pötzlich hörte er Schritte hinter sich und spürte Gefahr. Er rannte davon. Er hörte den Atem des Wesens, hörte das Schnaufen und rannte um sein Leben. Doch irgendwann war er am Ende seiner Kräfte, es war ihm egal, ob er vor Überanstrengung tot umfallen oder von dem Ungeheuer gefressen werden würde.
Also blieb er stehen. Und ... es geschah nichts, denn der Verfolger blieb ebenfalls stehen. Nachdem der Junge wieder zu Atem gekommen war, begann er langsam weiterzugehen, und schon hörte er wieder den Atem des Ungeheuers. Also begann er, wieder zu rennen. Das Spiel wiederholte sich noch einige Male, bis der Junge all seinen Mut zusammennahm und sich nach dem Verfolger umschaute.
Er sah das Ungeheuer in einiger Entfernung stehen und rief ihm zu, es solle doch näher kommen und ihn endlich fressen, denn schon bald hätte er ohnehin keine Kräfte mehr.
Das Ungeheuer antwortete nicht, es lächelte nur listig vor sich hin. Da dämmerte dem Jungen eine Idee aus der Tiefe seines Wissens.
Er schleuderte seinem Verfolger entgegen, dass er nun seine Absicht durchschaue. Er wolle ihn gar nicht töten, dazu sei er viel zu feige. Er wolle ihn nur zu Tode hetzen.
Darauf schnaubte das Wesen ohrenbetäubend vor Wut, drehte sich um und zog sich ins Dunkel der Nacht zurück.
(Weitergabe bei voller Quellenangabe erlaubt)
Am Himmel gibt es schon seit undenkbaren Zeiten tausende von Sternen. Sie dürfen in vielen Farben glänzen und ihr Licht erstrahlen lassen. Es gibt weiße, goldene und silberne Sterne, daneben gibt es auch rot, blau und grün schimmernde. Eines Tages kamen viele von ihnen zu Gott und sprachen: "Wir möchten gerne auf die Erde, um einmal unter den Menschen leben zu können."
„So sei es“, antwortete Gott, „ich lasse euch so klein sein, wie ihr von den Menschen mit bloßem Auge wahrgenommen werdet, damit ihr so unauffällig wie möglich auf die Erde gelangen könnt.
So erklärt es sich, dass in dieser besonderen Nacht manch ein Erdenmensch verwundert war, als er zum nächtlichen Himmel emporschaute und sich ungläubig die Augen rieb. Kaum konnten sie glauben, was sie mit bebendem Herzen verfolgten: Dort ergoss sich ein wundersamer Sternenregen aus dem All in Richtung Erde. Nur kurz währte dieser Anblick, dann löste sich das Schauspiel so plötzlich auf, wie es erschienen war.
Als die kleinen Sterne die Erde erreichten, entschieden sie sich für sehr unterschiedliche Lebensformen: Einige klammerten sich an Kirchtürme, andere flogen mit den Glühwürmchen über die Felder, wiederum andere mischten sich unter die Spielsachen der Kinder, so dass die Erde wundersam beleuchtet wurde.
Mit der Zeit jedoch, entschieden sich die Sterne, die Menschen wieder zu verlassen und in den Himmel zurückzukehren.
Gott sah ihnen entgegen und fragte sie: „Warum seid ihr zurück gekommen?“ „Herr, wir konnten nicht auf der Erde bleiben. Dort gibt es zu viel Elend, Ungerechtigkeit und Gewalt.“ „Ja“, sagte Gott, „euer Ort ist hier im Himmel. Die Erde ist der Ort der Vergänglichkeit, der Himmel aber der Ort der Ewigkeit und des ewigen Lebens.“
Als Gott so auf die Sternenschar schaute,bemerkte er, dass ein Stern fehlte und er fragte die anderen: „Es fehlt einer von euch. Habt ihr ihn unterwegs alleingelassen, ihn verloren, oder hat er einen falschen Weg genommen?“
Ein Engel, der in der Nähe stand, sagte: „ Nein Herr, ein Stern hat sich entschieden, bei den Menschen zu bleiben. Er hat entdeckt, dass sein Platz dort ist, wo die Unvollkommenheit ist, wo es Grenzen, Elend und Schmerzen gibt.“
„Welcher Stern ist es denn?“ wollten alle Sternengeschwister wissen. „Es ist der grüne Stern, der einzige mit dieser Farbe.... der Stern der Zuversicht.“
Als sie nun alle zur Erde schauten, sahen sie, dass die Erde wiederum wundersam leuchtete. Ein mattes, grünes Licht strahlte sanft von vielen Menschen aus, es kam aus ihren Herzen. Erstaunt beobachteten die Sterne, wie ihr kleiner grüner Gefährte von Mensch zu Mensch huschte und von seinem Leuchten etwas in die Herzen pflanzte, wie eine Blume, die wachsen und sich entfalten konnte.
Die Himmelssterne waren besorgt, ihr Bruder könne sich verausgaben und dann sein eigenes Leuchten verlieren. Doch Gott beruhigte sie alle, indem er ihnen erklärte, er selbst nähre und stärke das Leuchten des grünen Sternleins, so dass die Leuchtkraft auf ewig für alle Erdenbewohner ausreichen würde. Wie stark sich das Leuchten allerdings in jedem einzelnen Menschenherzen ausbreiten würde, läge an jedem selbst. Diese Blume der Zuversicht möchte gepflegt werden, wie die Blumen in einem Garten. Mit Liebe will der Grund des Herzens gewässert werden, Vertrauen ist ein guter Dünger, und Freude ist der Sonnenschein. Das Besondere an dieser Herzensblume ist, dass ihr sanftes Leuchten andere Menschenherzen berühren und verzaubern kann.
(Erzählt von HUM)
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Wenn Du die Blume der Zuversicht schon in Deinem Herzen trägst, so hege und pflege sie sehr achtsam, damit sie Dir auf Deinem Weg leuchten und andere Menschen mit ihrem Leuchten erfreuen und stärken kann.
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Heut' ist ein Sternlein vom Himmel gefallen,
hat's keiner gesehen, es leuchtet uns allen.
Es leuchtet das Sternlein mit hell-lichtem Schein
ins Herz uns hinein.
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Es war einmal ein alter Brombeerpflücker, der lebte, so lange er denken konnte, allein im Wald und dachte deshalb, er sei allein auf der Welt. Er war fröhlich, sang viel und man könnte sich keinen glücklicheren Menschen vorstellen.
Morgens beim ersten Sonnenschein freute er sich über die silbernen Perlen auf den Blumen und dachte: „So viele Diamanten überall im Gras, nur für mich allein – wie reich bin ich doch!“
Beim Streifen durch den Wald genoss er die hohen Gewölbe, weiten Tore und die prachtvollen Säulen. „All das nur für mich, wie bin ich doch gesegnet!“
Oft lag er mittags auf dem Rücken im Gras und bestaunte die Wolken, in denen er die wunderbarsten Figuren entdeckte. Da gab es Tiere, Landschaften und vielfältig wechselnde Gewölbe die seine wundersame Zimmerdecke bildeten. „Welch eine Fülle, ganz für mich alleine!“
Den ganzen Tag wurde er begleitet von lieblicher Musik, doch ein Erlebnis ganz besonderer Erbauung bot ihm der Abend, wenn er vor seiner Hütte unter dem Lorbeerbaum saß und die Sonne verfolgte, die ihre letzten Purpurstrahlen über die Hügel sandte. Dann begann in der Ferne in der Tiefe des Waldes eine feine, hohe Stimme zu jubilieren. Sie berührte sein Herz so zauberhaft und wehmütig zugleich, dass ihm die Tränen über die Wangen rannen. Dann seufzte er ein über das andere Mal. „Danke! Danke, unbekannter Sänger! Was für eine Musik, welcher Klang! Wie schade, dass dich sonst niemand hört!"
Doch er war nicht allein. Ein Entdeckungsreisender zog nämlich durch den Wald. Eines Abends stand er plötzlich in der kleinen Hütte des Brombeerpflückers und bat um etwas zu essen und ein Bett für die Nacht. Der Alte war sprachlos. Doch dann raffte er sich auf und sprach den Fremden an: „Fremdes Wesen, darf ich dich einmal anfassen?“ Gutmütig ließ es der Gast geschehen. Der Brombeerpflücker war begeistert. Immer wieder rief er aus: „Genau wie ich! Genau wie ich!“ Er klatschte in die Hände, umarmte ihn und tanzte um den Tisch herum. „Ich bin nicht allein! Ich bin nicht allein!“
Dann tischte er von seinen Vorräten auf und erfreute sich daran, wie sein Gast aß. Immer wieder rief er entzückt. „Genau wie ich! Ganz derselbe!“
Das Goldstück wollte er jedoch nicht annehmen, da er doch Diamanten besitze. Da wurde der Besucher hellhörig. „Diamanten, wie viele denn?“ fragte er. "Genau weiß ich es nicht", meinte der Brombeerpflücker sinnend, "ein paar Wiesen voll."
Der Reisende wurde bleich und rief: „Dann seid ihr ja steinreich!“
Begeistert bestätigte der Alte diese Aussage und erzählte von all seinem Reichtum; von den unzähligen Spiegeln, die zu umrunden mehr als einen Tag braucht; von seinem Palast, so groß, dass er ihn noch nie ganz ergründet hat; von Säulengängen und Gewölben, mal grün, mal blau mit weißen Flecken. Der Reisende dachte an ein Mosaik, musste es aber dem Brombeerpflücker erklären, er kannte es nicht. Danach erwiderte er: „Oh nein, das wäre nur Kinderkram und es würde mich auf die Dauer langweilen, immer dasselbe anzusehen. Nein, hier bewegen sich die Figuren, sie ziehen langsam und würdevoll vorbei, ja, sie verformen sich zu den wunderbarsten Gestalten: Eisbären, Winterlandschaften und Kobolde mit Bärten. Selbst die Farben verändern sich: mal tiefblau, mal hellgrau, mal beides. Es ist herrlich anzusehen, ich werde es nie müde."
Der Fremde warf ein: „Ihr müsst Euch doch sicher manchmal einsam fühlen zwischen all den Säulen, Gängen und Spiegeln."
"Aber nein", meinte der Brombeerpflücker, "es gibt genug Musik, von allen Seiten und den ganzen Tag. Und abends wird besonders schön gesungen. Ihr müsst am Abend einmal lauschen. Ihr schlaft doch heute Nacht hier?"
Der Fremde lehnte ab. Er wolle sofort aufbrechen und den Menschen von seiner Entdeckung berichten. Darüber freute sich der Alte, der es schon immer als Unrecht empfunden hatte, all diese Schätze allein zu genießen. Dennoch meinte er, der Reisende könnte doch viel genauer berichten, wenn er mehr gesehen hätte. Doch den Fremden hielt nichts mehr, Zeit sei Geld, meinte er beim Abschied.
So schnell die Füße ihn trugen, kehrte er zurück in die Stadt und berichtete zunächst dem Bürgermeister, dann allen Einwohnern von seiner Entdeckung. Sofort machten sie sich alle auf den Weg. Wie erstaunt war der Brombeerpflücker, als er am anderen Morgen die Menschenmenge sah. Der Bürgermeister trat hervor und sagte: „Wir kommen die Diamanten holen, und wir wollen in dem Palast wohnen, der eine Decke aus beweglichem Mosaik und Säulen aus grünem Smaragd hat. Wir kommen, um der Musik zu lauschen, und auch die Spiegel müssen wir haben."
"Das ist ja wunderbar!" rief der Brombeerpflücker und umarmte ihn. "Ich bin froh, dass Ihr das auch zu schätzen wisst und dass Ihr begreift, wie schön das alles ist. Willkommen, willkommen!“
Der Bürgermeister wehrte ab, er hatte es eilig, die Diamanten zu bekommen. Als der Brombeerpflücker ihn auf den nächsten Morgen vertrösten wollte, wurde die Menge ungeduldig. „Warum nicht jetzt gleich? Zeit ist Geld!“
"Nein", erwiderte der Brombeerpflücker und schüttelte den Kopf, "jetzt ist es dunkel, und in der Dunkelheit sieht man die Diamanten nicht. Aber morgen früh sollt Ihr etwas zu sehen bekommen! Geht jetzt nur schlafen, wir haben alle Zeit."
Am folgenden Morgen lagen die Auen glitzernd und funkelnd unter einem roten Himmel.
An jedem Grashalm, auch am kleinsten, hingen prachtvolle, silberne Diamanten, und als die Sonne aufging, verwandelten sie sich in Topase, Smaragde und Saphire, reiner und strahlender als irdische Juwelen. Und mittendrin standen die Menschen und redeten von den Diamanten, die jetzt wohl gefunden werden sollten, ganze Wiesen voll.
Endlich kam auch der Brombeerpflücker aus seiner Hütte und ließ still seinen Blick über die Auen schweifen. Tränen standen ihm in den Augen. Er beglückwünschte die Besucher zu der besonderen Fülle der Diamanten. Die Menschen sahen sich verständnislos an, sie sahen keine Diamanten. Verblüfft fragte der Alte. „Seht ihr das nicht? Schaut doch nur!“
"Das ist Tau", sagte der Bürgermeister böse.
"Das ... das wusste ich nicht", stammelte der Brombeerpflücker.
Ungeduldig fragte der Bürgermeister nun nach den Säulengängen. Beklommen wies der Alte in die Runde. „Bäume,“ schnaufte der Bürgermeister. Das Mosaik tat er als Luft, als Himmel ab und die Spiegel erwiesen sich als Teiche. Selbst den himmlisch-feinen Gesang tat er mit einer Handbewegung ab und erklärte, das sei doch lediglich eine Nachtigall.
Die Menge war aufgebracht. Sie fühlte sich betrogen und forderte, man solle den Alten aufhängen.
"Aber ich habe doch genau geschildert, wie es ist", verteidigte sich der Brombeerpflücker.
Doch unerbittlich wiederholte die Menge laut johlend ihre Forderung.
Und als am Abend die Nachtigall ihr trillerndes Lied begann, wäre niemand mehr da gewesen, der ihr hätte lauschen können, wäre nicht ein kleines Mädchen zu dem Alten getreten, seine Arme schützend vor ihm ausgebreitet. Mit zarter Stimme forderte es die Erwachsenen auf, doch einmal richtig zu schauen. „Ich sehe auch all die schimmernden Diamanten die wunderschönen Säulen mit der grünen Kuppel darüber. Und seht nur, wie der Himmel schimmert in so vielen Farben und Figuren. Das ist das schönste Mosaik, das ich je sah. Und, und dort hinten, seht nur, wie die Sonne in den Spiegeln blinkt und glänzt!“
Als der Bürgermeister sein Töchterchen so begeistert sah, begann er zu begreifen, was „schauen“ bedeutet und eine tiefe Ehrfurcht erfüllte ihn. Schon bald stand auf der Lichtung im Wald eine staunende Menschenmenge und lauschte dem schönsten Konzert, das sie jemals gehört hatte. Beschämt senkten sie die Köpfe, dass es eines Kindes bedurft hatte, ihnen das Wunder der Natur wieder bewusst zu machen. .
Während die Menschen sich langsam entfernten, ging der Bürgermeister zum Brombeerpflücker und bedankte sich bei ihm. Er versicherte ihm, dass er nun nicht mehr allein sein würde in seinem Wald. Er wolle wiederkommen, um die Schätze und Wunder dieses Paradieses zu bestaunen. Dann nahm er sein Töchterchen auf den Arm und bedankte sich bei ihm dafür, dass die Geschichte so ein gutes Ende genommen hat – ein Ende, das einen neuen Anfang bedeutet. Und es war ihm gar nicht peinlich, dass ihm Tränen der Rührung über die Wangen liefen. Die Kleine schaute ihn glückselig an und sagte. „Papa, jetzt hast Du Diamanten im Gesicht.“
(Erzählt von HUM)
Quelle: Der Brombeerpflücker von Godfried Bomans, aus dem Buch: Alle Farben dieser Welt
Mein Dank geht an die Mitglieder eines Forums, deren Diskussion über die Geschichte mich zu dem veränderten Schluss inspiriert hat.
Es war einmal ein König, der einen sehr weisen Wesir hatte, den er sehr schätzte. Doch eine Eigenheit des Ministers brachte den König manches Mal aus dem Gleichgewicht, wiewohl der Wesir selbst gerade diesen Gleichmut bewahrte. Es konnte geschehen, was wollte, der Minister hatte stets den Satz bereit „Es geschieht alles zum Besten“.
Eines Tages nun geschah es, dass der König bei einem Unfall seinen Daumen verlor. Untröstlich über dieses Missgeschick klagte er seinem Wesir sein Leid und wünschte Anteilnahme und Trost. Doch statt dessen entfuhr dem Munde des Beraters dessen bekannter Satz. Empört und aufgebracht forderte der König seine Wachen auf, den Wesir in den Kerker zu sperren, da dieser so gar kein Mitleid zeigen wollte. Mit einem „Es geschieht alles zum Besten“ ließ sich der weise Mann ruhig abführen.
Kurze Zeit später ließ der König ließ der König zu einer großen Jagd vorbereiten. Viele Männer von höchstem Rang versammelten sich, doch der Wesir war nicht dabei, der den König sonst bei allen Vorhaben begleitete. Als zum Aufbruch geblasen wurde, preschte der Herrscher auf seinem edlen Ross voran und war so geschwind, dass ihm niemand folgen konnte, was er aber in seinem Eifer gar nicht bemerkte. Erst nach geraumer Zeit, als er sich auf einer Lichtung fand, die ihm fremd deuchte, erkannte er, dass er sich verirrt hatte. Wie sehr bedauerte er es jetzt, seinen treuen Berater nicht zur Seite zu haben! Doch da bewegte sich etwas im Gebüsch und in der Annahme, das seien seine Jagdgefährten, ritt er darauf zu. Doch zu seinem großen Schrecken musste er erkennen, dass sich plötzlich ein Kreis von Wilden um ihn bildete, die ihn alsbald geschickt aus dem Sattel hoben, ihn an Händen und Füßen banden und davontrugen.
Der volle Umfang seiner misslichen Lage wurde ihm bewusst, als er nach einer langen Strecke durch Unterholz und unwegsame Wildnis auf einem freien Platz wieder abgesetzt wurde. Eine prächtig geschmückte Gestalt von hohem Wuchs mit klaren, scharf blickenden Augen musterte ihn und gab dann einen Befehl, worauf die Männer den König losbanden und ihn in eine Hütte brachten. Dort wurde er zu seinem Erstaunen mit ausgesuchten Köstlichkeiten bewirtet und dann zu einem wunderbaren Lager aus weichem Moos und duftenden Pflanzen gebracht. Ihm wurde bedeutet, sich zur Ruhe zu legen. Schlafen konnte der Herrscher allerdings nicht, denn er hatte auf dem freien Platz einen großen Kessel gesehen und aus den Gesten und Blicken der Wilden schließen können, dass er darin geschmort werden sollte. Wie sehr wünschte er sich seine Jagdgefährten herbei! Wie sehr vermisste er seinen Wesir, der sicher einen Ausweg aus der Situation gewusst hätte! Doch niemand war da, um ihn zu retten. So verging die qualvolle Nacht, und beim Morgengrauen wurde er auf den Platz geführt und entkleidet. Einer der Wilden, mit einer auffallend farbigen Bekleidung kam auf ihn zu. Der König zitterte am ganzen Leib, denn er sah seine letzte Stunde geschlagen. Doch der Mann tötete ihn nicht, er drehte und wendete ihn und besah ihn sorgsam.
Plötzlich stieß er einen Schrei aus und deutete auf die Hand des Königs, an der der Daumen fehlte und hielt sie in die Höhe. Die Wilden brachen in ein ohrenbetäubendes Geheul aus, und der Häuptling rief dem bunt Gewandeten etwas zu. Daraufhin wurde der König mit Stockhieben davongetrieben.
Froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, suchte er seinen Weg zurück zu seinem Schloss. Frierend, hungernd und mit zerschundener Haut, da er die Wege mied, traf er nach einigen Tagen wieder auf eine Gegend, die ihm vertraut war. Niedergeschlagen und entkräftet erreichte er seinen Hof.
Schnell verbreitete sich die Nachricht, dass der König am Leben sei und es wurde ein großes Fest veranstaltet. Auch der Wesir wurde aus seinem Kerker geholt, und der König nahm ihn glücklich in den Arm. Ihm war auf seinem langen Weg zurück klar geworden, dass es der fehlende Daumen war, der ihm das Leben gerettet hatte. Und zum ersten Mal in seinem Leben begriff er den Sinn des Satzes „Es geschieht alles zum Besten“. Zerknirscht entschuldigte er sich offiziell bei seinem Minister, bedauerte, dass er ihm solches Ungemach mit der Einkerkerung bereitet hätte, lobte ihn für seine Weisheit und ernannte ihn zum Großwesir.
Mit einem verschmitzten Lächeln sagte der so Geehrte, dass doch alles zum Besten geschehe. Und er fügte erklärend hinzu: „Schaut, mein ehrwürdiger Herr, hättet Ihr mich nicht in den Kerker geworfen, wäre ich an Eurer Seite gewesen, und die Wilden hätten sicher mich in den Topf gesteckt, denn mein Körper ist makellos. - Es geschieht eben alles zum Besten!“
(Nach einer weisen Mär frei gestaltet von HUM
Es war einmal ein Hütejunge, der das Vieh seines Vaters auf der Weide bewachte. Eines Tages hörte er von einem Imam, der besonders gut predigen würde, und nur wenige Tage später hatte er die Gelegenheit, diesen Lehrer sprechen zu hören. Der Junge war von den Worten tief ergriffen. Wie herrlich lobte dieser Mann Gott und seine Schöpfung!
Als der Junge am nächsten Tag wieder bei dem Vieh war, erinnerte er sich all der Worte und sein Herz wurde weit, wie am Tag zuvor. Da begann er vor sich hin zu sprechen: „O Gott, ich habe so viel von Dir gehört. Du bist gut und liebevoll. Ich habe das Gefühl, als wenn Du bei mir wärst, und das macht mich sehr glücklich. Wärest Du wirklich hier, so würde ich gut für Dich sorgen, noch viel besser, als ich es für unsere Schafe tue. Im Regen würde ich Dich unter mein Laubdach nehmen, und dich bei Kälte in meinen Mantel hüllen. Im Sonnenschein ließe ich Dich baden, und ich würde Dir auf meiner Flöte vorspielen. Ach komm doch o Gott, und schau, was ich alles für Dich täte!“
In dem Moment aber kam Moses vorbei und hörte die Worte des Jungen. Er ging zu ihm und schalt ihn einen dummen Knaben. Er erklärte ihm, Gott sei der Ungenannte, der Ungesehene. Er sei allmächtig und jenseits von Wort, Farbe und Form. Der Knabe war erschrocken und beschämt, wie er so dumm und anmaßend sein konnte.
Aber am Abend erhielt Moses die nächste Botschaft von Gott, und die lautete: „Wir sind sehr unzufrieden mit dir. Du hast uns einen Frommen entfremdet. Wenn er Uns auch nicht so kannte wie du, so konnte sein Geist Uns doch erfassen, und er war Uns sehr nahe. Alle, die Uns ergeben sind, machen sich auf ihre eigene Weise ein Bild von Uns, und Wir empfangen ihre Liebe auf jede Weise. Alle sind Unsere Geschöpfe. Auch die, die die Sonne anbeten, erkennen Wir als Gottesverehrer an. Wir haben dich gesandt, Unsere Kinder mit Uns zu vereinen, nicht, um sie Uns zu entfremden.“
Am nächsten Tag kam ein alter Mann in abgetragener Kleidung mit einem Wanderstab bei dem Jungen vorbei. Er sah müde und schwach aus. Da es zu regnen begann, bat der Knabe den Alten unter sein einfaches Laubdach, bot ihm seinen Mantel als Unterlage und teilte seine kärgliche Mahlzeit mit ihm. Danach spielte er ihm noch einige Weisen auf seiner Flöte vor. Dem Wanderer schien das alles gut zu tun, denn als er sich erhob, um seinen Weg fortzusetzen, wirkte er gestärkt und munter.
Zum Abschied sagte er zu dem Jungen, dass er sehr dankbar sei, dass dieser sein Versprechen an Gott so vollkommen wahrgemacht habe. Sehr erstaunt war da der Knabe, woher der Alte von seinem Gespräch zu Gott wissen könne. Lächelnd erwiderte der Wanderer: „Schau, mein Sohn, ich bin's. Du batest mich aus reinem Herzen zu Dir. Ich bin jedes Geschöpf, das dir begegnet, und Ich bin auch du.“ Mit diesen Worten verließ der Alte den Knaben, der noch lange verblüfft sitzen blieb, ehe er. überglücklich seine Flöte zur Hand nahm, um fröhliche Melodien gen Himmel zu senden.
(aus "Baba erzählt", bearbeitet von HUM)