Es war einmal ein weiser König, der sein Land liebevoll regierte und seine Untertanen achtsam behandelte. In jedem Jahr zu seinem Geburtstag veranstaltete er eine besondere Zeremonie: Ein besonderes Kleidungsstück von ihm wurde einem der Bewohner seines Landes übergeben. Diese Person suchte aber nicht er selbst aus, sondern in jedem Jahr wurde einer seiner Angestellten durch das Los bestimmt, die Person zu finden, die geeignet war, diese Ehre entgegenzunehmen und entsprechend würdig mit des Königs Gabe umzugehen.
In diesem Jahr, von dem hier berichtet wird, fiel das Los auf den Gärtner des Königs. Er war ein rechtschaffener Mann, der mit Liebe und Umsicht den Garten des Königs in ein wahres Paradies verwandelt hatte. Er kannte jede Pflanze mit Namen, wusste um ihre Herkunft und kannte ihre persönlichen Bedürfnisse. Oft fand man ihn im Garten, in tiefer Andacht versunken. Dann dankte er Gott für all die Schönheiten, die er betreuen durfte. Auch bedankte er sich täglich bei all den lieblichen Gewächsen, dass sie ihr Bestes gaben, um den König und alle Menschen, die den Garten betraten, zu erfreuen – und das waren viele, denn der Garten des Königs stand jedem Bürger des Landes zur Erquickung der Seele offen.
Der Gärtner nun erhielt den Auftrag einen geeigneten Menschen zu finden, dessen Kopf in Zukunft der Jagdhut des Königs tragen sollte. Ihm wurde eindringlich mit auf den Weg gegeben, dass es sich dabei natürlich um den schönsten Kopf im Königreich handeln müsse. Dankbar, so eine wichtige Aufgabe übertragen bekommen zu haben, verabschiedete er sich von seinem Garten und seiner Familie, denn er würde sicher einige Wochen im Reich unterwegs sein, um eine würdige Person zu finden.
Nach 7 Wochen endlich kehrte er zurück – doch zum allgemeinen Erstaunen brachte er niemanden mit. Als er zum König gerufen wurde, nahm er seinen Sohn bei der Hand, der ihn begleiten sollte. Dieser junge Mann war allen bekannt als gutmütig und hilfsbereit, doch war es ein Jammer, dass sein Gesicht von Geburt an verunstaltet war. Die Menschen aber hatten sich daran gewöhnt, weil seine umsichtige Art den körperlichen Mangel bei weitem übertraf.
Als nun Vater und Sohn vor dem König erschienen und sich vor ihm verneigten, ging ein Raunen durch die Menschenmenge, die sich rasch zusammengefunden hatte, nachdem die Kunde über die Rückkehr des Gärtners sich verbreitet hatte.
Der König hob huldvoll seine Hand und begrüßte die beiden vor ihm Stehenden mit einem von Herzen kommenden Lächeln im Gesicht. Er bat den Gärtner, ihm seine Entscheidung mitzuteilen und zu begründen. Der Gärtner schaute liebevoll zu seinem Sohn und sagte dann mit klarer Stimme: „Mein König, weit bin ich in Deinem wunderbaren Reich umhergereist, ich habe mir die männlichen Bürger jeden Alters wohl angeschaut, doch niemandes Kopf wollte zu Deinem Jagdhut passen. Immer, wenn ich schon dachte, DER könnte es sein, erschien im Innern meines Kopfes das Bild meines Sohnes. So habe ich denn das Suchen beendet und bitte Dich, Deinen Hut meinem Sohn aufzusetzen.“ Bei diesen Worten verneigten sich Vater und Sohn nochmals sehr ehrfürchtig vor ihrem König.
Das anwesende Volk wusste nicht, sollte es lachen, entsetzt sein, Beifall klatschen oder schamvoll beiseite schauen. Doch der König lächelte ein breites Lächeln der Zufriedenheit. Und er hob an zu reden: „Mein lieber Gärtner, ich bin Dir von Herzen dankbar, dass Du einen würdigen Mann gefunden hast, der meinen Hut nun zu meiner Ehre tragen wird.“ Zögernd, weil sie die Rede des Königs noch nicht richtig verstanden zu haben glaubten, begannen die ersten zu tuscheln.
Mit einer Handbewegung bat der König um Ruhe und setzte seine Rede fort: „Euch allen soll dies eine tiefe Lehre sein. Die äußere Schönheit eines Menschen ist nicht entscheidend. Dieser brave Gärtner liebt seinen Sohn so über alle Maßen, trotz seiner Entstellung, dass er ihn für würdig findet, meinen Hut zu tragen. Die großartige Liebe dieses Mannes soll Euch ein Beispiel sein, wann immer ihr den jungen Mann mit meinem Hute seht.“
Mit diesen Worten setzte der König dem Sohn des Gärtners seinen Hut auf den Kopf – und tatsächlich passte er, wie für diesen gemacht. Die Zuschauer hatten inzwischen die Worte des Königs begriffen, und so brauste nun ein stürmischer Beifall auf, der erst endete, als der Gärtner seine Hand hob. Er schaute nochmals seinen Sohn an und sie sagten wie aus einem Munde nur ein einziges Wort: „DANKE!“

(Erzählt von HUM)

Wir lieben die Menschen nicht, weil sie schön sind,
sondern wir finden sie schön, weil wir sie lieben.
(HUM)